Von Bernhard M. Baron, OKV-Ehrenmitglied, Dipl.-Verwaltungswirt (FH); ehem. Kulturamtsleiter der Stadt Weiden i.d. OPf. 

 

Es gilt das gesprochene Wort!

„Im Anfang war die Tat!“

(Goethe, Faust I, Studierzimmer, Verse 1224 – 1237)

Im Studierzimmer wird es hell. Professor Dr. Heinrich Faust begibt sich an die Arbeit. Er will die Bibel in sein „geliebtes Deutsch“ übersetzen.

„Geschrieben steht: „Im Anfang war das Wort!“
Hier stock’ ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,
Ich muss es anders übersetzen,
Wenn ich vom Geist erleuchtet bin.
Geschrieben steht: „Im Anfang war der Sinn.“

Bedenke wohl die erste Zeile,
Dass Deine Feder sich nicht übereile!
Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: „Im Anfang war die Kraft!“

Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
Schon warnt mich was, dass ich dabei nicht bleibe.
Mir hilft der Geist! Auf einmal seh’ ich Rat
Und schreibe getrost: „Im Anfang war die Tat!“

 

„Glück auf!“

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Barbara Klepsch, verehrte Kulturamtsleiterin Dr. Gabriele Lorenz, geehrter Herr OKV-Vorsitzender Gerhard Bihler, interessierte, liebe Kunstfreunde aus Annaberg-Buchholz und Weiden in der Oberpfalz.

„Im Anfang war die Tat“, so lässt der Weimarer Dichterfürst Goethe seinen „Faust I“ im Studierzimmer (Verse 1229 f.) über den ersten Satz des Johannes-Evangeliums (1. Kapitel, 1. Vers) „Im Anfang war das Wort“ philosophieren. Nicht umsonst habe ich hier und heute gerade diese „Faust“-Stelle für das markante Kunst-Jubiläum zwischen Annaberg-Buchholz und Weiden, zwischen dem „Arzgebirg“ und dem Oberpfälzer Wald ausgesucht…

Im Anfang unserer Begegnung „war die Tat“: Am 2. Februar 1990 kam – nach einer vorausgegangenen OB-Visite unter journalistischer Begleitung des jetzigen NT-Chefredakteurs Clemens Fütterer - eine erste Delegation der „Max-Reger-Stadt“ in die „Berg- und Adam-Ries-Stadt“. Damit ging für mich – der ich in jener Zeit Leiter des Kultur- und Tourismusbüros der Stadt Weiden war – ein persönlicher Wunsch in Erfüllung. Ich hatte doch unserem Oberbürgermeister Hans Schröpf - der nach der Wende eine mitteldeutsche  Städtepartnerschaft suchte - mit schriftlichem Vorschlag vom 27. November 1989 explizid auf die „Stadt Annaberg“ hingewiesen. Der Grund war, weil in unmittelbarer Nähe, in Thum 1619 der große evangelische Lieddichter Tobias Clausnitzer geboren wurde, der dann als Feldprediger der Schweden in Weiden seine neue Heimat fand...

Berge und Berglandschaften prägten nicht nur das Erzgebirge, sondern auch den Oberpfälzer Wald, die Region, aus der wir alle kommen. Weiter verbindet uns natürlich der Erzabbau in unserer Oberpfälzer Heimat. Einst waren wir das „Ruhrgebiet des Mittelalters“, die „Waffenschmiede des Reiches“. Ortschaften wie „Hammer“, „Hütten“ und „Grub“ sind um Weiden keine Seltenheit und erinnern genauso wie die vielen örtlichen „Hammerstraßen“ und „Hammerwege“ an die große Montan-Tradition. Während ja im evangelischen „Arzgebirg“ die „Mutter Anna“ in hoher Gunst der Bergleute steht, verehren die katholischen Bergleute die Hl. Barbara (von Speinshart, über Rupprechtsreuth, Neudorf bei Luhe, Irchenrieth, Finkenhammer bis zum Eixelberg bei Pfreimd), ja die Hl. Barbara avancierte zur „Hausheiligen“ der böhmischen Fürsten Lobkowitz der benachbarten Grafschaft Neustadt-Störnstein.

Es ist wohl auch kein Zufall, dass der (reale) „Auerbachs Keller“ zu Leipzig in Goethes „Faust“ ebenfalls der Oberpfalz entlehnt ist, stammt doch dessen realer evangelischer Begründer, Dr. Heinrich Stromer (1476 – 1542), aus dem oberpfälzischen Auerbach unweit unserer Heimatstadt Weiden.

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Und hier in Annaberg beeindruckte mich aber vor allem das starke Interesse an der KUNST:

Ich lernte die engagierte, unermüdliche und liebenswürdige Kultur-Multiplikatorin Heide-Lore Staub und den der naturhuldigenden Künstler Carl-Heinz Westenburger kennen. Kein Annaberg-Besuch ohne Besuch seines Gartens mit Schnäpsen und Liedern und Geschichten vom „Stülpner Karl“: Den gemischten Chor in Westenburgers „Tusculum“ mit „Kein schöner Land in dieser Zeit“ habe ich heute noch im Ohr.  „Sehen lernen – Sonnenhaft das Auge“, wahrlich so kann nur ein Malerbuch von und über Carl-Heinz Westenburger lauten.  Sein exzellentes „Landschaft eines Lebens“ aber wurde mein Vademecum. Westenburgers zahlreichen privaten Texte, Blätter und Karten an mich wirken immer noch nach, sie sind unauslöschlich. Carl-Heinz Westenburger, der Doyen der Annaberger Künstler, der begnadete Meister & Beschwörer der erzgebirgschen Landschaft war ein wahrer Grandseigneur. Seine Freundschaft lebt fort.  

Der damalige literaturbesessene Kultur-Referent Lothar Sachs brachte mich zu Carlfriedrich Claus und zur damaligen Leiterin der „städtischen Galerie am Markt“ Brigitta Milde. Leider war das erste kulturelle Spar-Opfer in Annaberg die „Städtische Galerie“, die bis dahin wichtige Akzente gesetzt und Weichen gestellt hatte. Ich war gerne und oft dort interessierter Gast und lernte viele DDR-Künstlernamen kennen.

Natürlich führte der direkte Weg bald in den „Kunstkeller“ zu Jörg Seifert. Dies alles wurde bestens begleitet – postalisch und telefonisch – von der damaligen Hauptamtsleiterin Gudrun Treßer. Aus flüchtigen Bekanntschaften wurden bald tiefe Freundschaften zwischen den Stadtoberen, den Künstlern, den Menschen.

Es war mir immer ein persönliches Bedürfnis und Anliegen, Annaberger Künstler zu Ausstellungen (sei es Einzel-Ausstellungen oder zu Kollektiv-Ausstellungen) in Weiden anzuregen, diese zu begleiten, zu unterstützen und auch von Anfang an Künstlerbegegnungen zu arrangieren. Kein Wunder, wenn sich die sogenannte „Kriegsgeneration“ Carl-Heinz Westenburger bzw. Gottfried Rothe und unser OKV-„Nobelman“ Rudi Schieder auch sofort verstanden.

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Schon vor der Wende 1989 war mir das künstlerische Werk des Annaberger Grafikers und Magiers Carl Friedrich Claus (1930 – 1998) – besonders durch dessen Freundschaft mit dem Frankfurter Poeten Franz Mon – ein Begriff. Als ich von den Plänen großer bundesdeutscher Städte erfuhr, dass sie eine spezielle Einzel-Ausstellung „Erwachen am Augenblick. Sprachblätter“ mit Carl Friedrich Claus beabsichtigen, war es für mich ein MUSS, dass „CFC“ natürlich auch in die „großen Weidener Rathaus-Ausstellungen“ aufgenommen werden musste.   Und Carl Friedrich Claus kam persönlich (mit der Reichsbahn) am 20. Oktober 1991 zur Vernissage seiner beeindruckenden Einzel-Ausstellung ins Weidener Neue Rathaus. Kurios für mich war, dass ich damals den exzellenten Meister dem Annaberger OB Klaus Hermann erst persönlich vorstellen musste – und dies noch dazu in Weiden. Der non-stop-zigarettenrauchende Claus wurde nach der Vernissage persönlich von Klaus Herrmann nach Annaberg chauffiert. Scharfe Zungen behaupten, dass anschließend Herrmann seinen Nobelwagen zwei Wochen lüften musste…

(Aufgrund meiner persönlichen Anregung an OB Klaus Hermann wurde „CFC“ auch verdient am 15. April 1994 zum „Annaberger Ehrenbürger“ ernannt. Und das war gut so!)

Umso stolzer bin ich, dass meine persönlichen Erinnerungen an CFC, „Mit Aurora von Annaberg nach Weiden“, in dem exklusiven Bild-Lese-Buch „AugenBlickeWortErinnern – Begegnungen mit Carlfriedrich Claus“, JanusPress, vorgestellt wurden. Herausgegeben war es vom feinsinnigen Kunstbuchmacher Gerhard Wolf, dem Ehemann der großartigen Schriftstellerin Christa Wolf, vorgestellt bei der „Frankfurter Buchmesse“ im Oktober 1999. Mein Kunstfreund Klaus Kuran war mit dabei. „Der neue Tag“ berichtete exklusiv darüber am 27. Oktober 1999 auf der „Kultur-Seite“.  

Als meine Frau Mary und ich anfangs Juni d. J. den Bundestag im umgebauten Reichstag in Berlin besuchten, entdeckte ich vor der Abgeordnetenlobby auf Höhe der Besucherebene hängende Acryl-Glasbild-Tafeln aus dem „Aurora-Zyklus“ von CFC, die nun in der Wandelhalle von der Decke hängen. CFC konnte Thema & Ort noch kurz vor seinem Tod selbst bestimmen, hat aber die Adaption selbst nicht mehr gesehen. Wahrlich, eine beeindruckende visuelle Grenzüberschreitung von Literatur, Philosophie und Kunst für jeden interessierten Kunstfreund!

Vor geraumer Zeit habe ich übrigens die von „CFC“ an mich persönlich gerichteten Briefe, Zettel, Flyer und Kunstmappen sowohl an den „Förderverein Begegnungsstätte“ in Annaberg und als auch an die „Kunstsammlungen Chemnitz“ (Frau Brigitta Milde) übergeben. Auch das war gut so!

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Bereits im Oktober 1992 reisten spontan Melita Todorovic und Horst Telschik nach Annaberg zu einer ersten kleinen, aber feinen Ausstellung ins niveauvolle „Eduard-von-Winterstein-Theater“. Der Anlass war eine erste freundschaftliche, künstlerische Kontakt-Aufnahme.

Ganz markant war die erste große Ausstellung im Februar 1995 von Weidener OKV-Künstlern unter Leitung von Rudi Schieder m i t  Rudi Klaus, Horst Bittner, Walter Hafner, Josef Hausner und Marcus Weigl im Annaberger „Eduard-von-Winterstein-Theater“ aus Anlass der 5jährigen Städtepartnerschaft.

Bedeutende Akzente setzten eine große OKV-Kollektiv-Ausstellung im Juli 1999 im „Erzhammer“. Eine moderne Maler-Gruppe des OKV Weiden (mit Klaus Kuran, Gerda Moser, Udo Binder und Mary Baron-Muscat) präsentierte am 10. September 1999 mit dem Titel  „Am Anfang war der Berg“ im Kunstkeller. Der Lyriker Peter Oehme münzte seinerzeit das „Faust-Thema“ um:

 

 „Am Anfang war der Berg,
bewaldet,
und sein Gestein
noch unbekannt!“

 

Eine weitere große OKV-Kollektiv-Ausstellung „Denklandschaften“ stand am 18. März 2000 im „Erzhammer“ im Zeichen der 10jährigen Städtepartnerschaft. 18 Künstler präsentierten 50 Exponate. Carl Friedrich Claus hätte bestimmt seine Freude daran gehabt, suchte er doch mit seinen „Denk-Schreib-Kombinaten“ im ideal-sozialistischen Horizont-Atlantis, im Makrokosmos, seine „Denk- und Gedenk-Landschaft“.

Und so kamen am 8. Juli 2006 wieder 25 Künstler des rührigen „Oberpfälzer Kunstvereins“ (Weiden) mit 60 Bildern und Skulpturen unter Initiative des Impresarios Klaus Kuran und der versierten Ausstellungsleiterin Gerda Moser in die erzgebirgische Metropole.

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Nicht vergessen darf aber auch die von Klaus Kuran initiierte reizvolle Kollektiv-Ausstellung sächsischer Grafiker, „Eindrücke – Ausdrücke“, vom Februar bis April 2005 im „Café Federkiel“ bei Püchersreuth. Jörg Seifert vom „Kunstkeller“ kam damals stellvertretend für die ausstellenden Künstler Carl-Heinz Westenburger, Rudolf Manuwald und Jörn Michael. Mit interessanten Radierungen, Monotypien, Holz- und Linolschnitten sowie Steindrucken war Jörg Seifert der Annaberger „Botschafter“ für uns alle: aus der Zeit und auf dem Weg durch die Zeiten!

Und immer wieder stellten Annaberger Künstler beim OKV mit aus, ob alleine wie Carl-Heinz Westenburger oder mit seiner Künstlergruppe „Annaberger Atelier“ oder die Malergruppe um Gottfried Rothe. Ein besonderer farblicher Akzent war die reizvolle Ausstellung mit der Buchillustratorin & „Mondfrau“ Sylvia Graupner im Rahmen der „15. Weidener Literaturtage“ vom Mai 1999.

Wahrlich, die Kunst des Kulturraumes Erzgebirge hat auch in Weiden immer wieder markante Akzente gesetzt!

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So bringen hier & heute zur 20jährigen KUNST-PARTNERSCHAFT wieder zahlreiche OKV-Künstler ihren visuell-poetischen Seelenzustand mit Bildern & Skulpturen zum Ausdruck, die durchaus von den interessierten Kunstbetrachtern hinterfragt werden sollen. Besonders die malerische Bewegung wird als Suche ausgedrückt, wo Zeiten aufgehoben werden und Vergangenheit auch nicht zur Ruhe kommt. Aktuelle Zeitkonfigurationen lugen obsessiv hervor, schütten Bilderstürze aus der deutschen „Büchse der Pandora“. Traditionell oder abstrakt sind ihre Ausführungen und weisen u. a. auch auf den heute zerstörten organischen Naturzusammenhang hin, dem die Dimension des Sinnlich-Körperlichen verlorengegangen ist.

Mit dieser speziellen Ausstellung setzt der „Oberpfälzer Kunstverein“ einen weiteren wichtigen visuellen Akzent und damit auch die verbindende künstlerische Tradition fort.

Lassen Sie, liebe Kunstfreunde, die gezeigten individuellen Arbeiten auf sich wirken. Die Exponate, die Bilder, die Grafiken, die Aquarelle, die Assemblagen sprechen für sich selbst, da jeder hier vertretene Künstler und jede Künstlerin seine/ihre eigene Philosophie der Exponate unterlegt hat.

Und wer noch Schwierigkeiten bei der Betrachtung der modernen Malerei haben sollte, dem sagt der Expressionist Edvard Munch: „Wieviel ein Bild der Natur ähnelt, ist nicht entscheidend. Die Kraft der Natur fließt durch die Zeichen des Künstlers.“

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Liebe Kunstfreunde,

ich wünsche Ihnen allen noch eine schöne atmosphärische Matinee und erbauliche Gespräche mit den anwesenden Weidener OKV-Künstlern.
Ich danke Ihnen allen für die Aufmerksamkeit und besonders, dass ich hier im traditionsreichen „Erzhammer“ zu Ihnen sprechen konnte.
Ihnen allen ein herzliches

Glück auf!

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